Dietmar Pucher im Interview über Prozesse, Herausforderungen und erzielte Einsparungen

Im Oktober 2022 wurde das Salzburger Landestheater österreichweit als erstes Theater mit dem Österreichischen Umweltzeichen für Sprech- und Musiktheater zertifiziert. Dabei fungierte das Haus für Oper, Schauspiel, Ballet und Jugend-Theater als Impulsgeber und Pilotbetrieb: Die Anforderungen für die Zertifizierung von Theatern mit diesem anerkannten Umweltsiegel wurden, gemeinsam mit Klimaministerium, VKI und umwelt service salzburg-Beratung, neu festgelegt und erarbeitet.
Dietmar Pucher, Leiter Liegenschaften und Projektverantwortlicher, erzählt im Interview über die ganz besonderen Herausforderungen für das Theater und einen bemerkenswerten Prozess, der das ganze Haus umfasste.

Das Salzburger Landestheater wurde im Vorjahr österreichweit als erstes Theater mit dem Umweltzeichen zertifiziert. Worauf sind Sie besonders stolz?
Meine Kollegen und ich haben dieses Großprojekt gemeinsam, erfolgreich und mit sehr viel Motivation gemeistert. Das Salzburger Landestheater wurde als Pilotbetrieb ausgewählt, der Aufwand rund um die Ausarbeitung, das Einführen von Maßnahmen und das Umsetzen der Richtlinien haben sich absolut gelohnt. Der Umweltaspekt ist nun viel stärker in unserem Fokus. Das Umweltzeichen ist für das ganze Haus eine hohe Motivation, in diesem Bereich kontinuierlich weiterzuarbeiten, besser zu werden und den Theaterbetrieb so ressourcenschonend und nachhaltig wie möglich zu gestalten.

Sie haben sich von Erwin Bernsteiner, einem Experten aus dem umwelt service salzburg-Beraterpool, begleiten lassen. Wie beschreiben Sie die Zusammenarbeit, was war für Sie besonders hilfreich und unterstützend?
Wir haben festgestellt, dass es das Österreichische Umweltzeichen für Theaterhäuser noch gar nicht gab bzw. noch keine Kriterien für die speziellen Belange von Sprech- und Musiktheatern formuliert wurden, nach denen eine Zertifizierung erfolgen kann. Das hat uns motiviert, einen solchen Kriterienkatalog in Zusammenarbeit mit Herrn Bernsteiner vom Büro für Umweltfragen, dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) sowie dem umwelt service salzburg im Pilotbetrieb auszuarbeiten. Dabei war das Commitment aller Abteilungen des Landestheaters hinsichtlich Evaluierung und Umsetzung der notwendigen Maßnahmen überwältigend.

Erwin Bernsteiner und ich waren für das Ausarbeiten des Kriterienkatalogs und der Richtlinien in Abstimmung mit Otto Fichtl vom VKI zuständig. In einem nächsten Schritt hat Herr Fichtl die Kriterien für Musik- und Sprechtheater auf alle Theater Österreichs umgelegt und in eine praxistaugliche Feinjustierung und Umsetzung gebracht. Eine alltagstaugliche Verwendung für alle Musik- und Sprechtheater Österreichs war das Ziel und wurde durch das Zusammenwirken aller Häuser ermöglicht. Herr Bernsteiner stand dem Thema mit Blick auf einen Theaterbetrieb stets offen gegenüber. Es hat ihm große Freude bereitet, hier auch etwas ganz Neues kennenzulernen. Er hat die verschiedenen Impulse und Arbeitsbereiche aus dem Bereich der Kunst oder der technischen Abteilungen und Werkstätten gerne aufgenommen.

Was wurde in dem Umweltzeichen-Zertifizierungsprozess erst durch die Begleitung durch das umwelt service salzburg ermöglicht?
Das umwelt service salzburg hat für das Landestheater einen wesentlichen, auch finanziellen, Beitrag zur Zertifizierung mit dem Umweltzeichen geleistet. Die Prüfung zur Zertifizierung im Haus wurde durch die Geschäftsführerin Sabine Wolfsgruber begleitet. Die Prüfung selbst wurde geleitet von Karin Dullnig von ecoversum aus Graz.

Rund 280 Menschen arbeiten in ganz unterschiedlichen Bereichen für das Salzburger Landestheater. In fast allen Bereichen kam es zu Veränderungen aufgrund der Umweltzeichen-Zertifizierung. Wie kann man solch einen Prozess, in den so viele verschiedene Personen involviert sind, erfolgreich umsetzen?
Zunächst hat es viele Termine in unterschiedlichsten Konstellationen gegeben, mit der Geschäftsleitung gab es sehr schnell Einvernehmen, das Projekt im Haus zu starten. Danach sind wir mit allen Abteilungsleitern und ihren Mitarbeitern in Gesprächsrunden eingestiegen. Während dieser Zeitspanne gab es Evaluierungen, beispielsweise aller verwendeten Materialien, aber auch aller Arbeitsläufe oder Einkäufe.

Wir haben somit den Ist-Zustand in allen Bereichen der Technik und Kunst erhoben. Eine Kostüm- oder Maskenabteilung war hier genauso involviert wie eine Dekorationswerkstatt, die Reinigung oder die Beleuchtungsabteilung des Hauses. Ist ein Überblick geschaffen, werden Kosten ermittelt und Prioritäten gesetzt. Ich stand parallel dazu laufend in Abstimmung mit dem Kaufmännischen Direktor, Bernhard Utz, sowie mit dem Intendanten, Carl Philip von Maldeghem. Im nächsten Schritt ging es in die Umsetzung der erforderlichen (Sofort-)Maßnahmen sowie in eine stufenweise Aufplanung und Etablierung verschiedenster Maßnahmen. Dabei stand ich zugleich im Gespräch mit den Abteilungsleitern und Mitarbeitern, die tagtäglich im Einsatz mit solchen Materialien stehen.

Ein Beispiel: Bei der Umstellung der Reinigungsmittel gab es zunächst ausführliche Gespräche mit den ausführenden Firmen. Nicht biologisch abbaubare Mittel wurden sofort aussortiert. Eine Palette von biologisch abbaubaren Mitteln wurde unserem Reinigungspersonal probeweise zur Verfügung gestellt. Unsere Mitarbeiter haben Probereinigungen vorgenommen, so konnten neue Mittel sukzessive in den Einsatz gebracht werden. Alle Mitarbeiter waren in den Prozess involviert.

"Für das Salzburger Landestheater ist eine Zertifizierung ein wichtiger Schritt und eine schöne Bestätigung der Arbeit im Sinne von Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Zugleich ist das Umweltzeichen für das ganze Haus eine hohe Motivation, in diesen Bereichen kontinuierlich weiterzuarbeiten und besser zu werden."
Bernhard Utz, Kaufmännischer Direktor Salzburger Landestheater

Was waren die ganz besonderen Herausforderungen rund um das Umweltzeichen in den vergangenen Jahren für Sie, für die Führungskräfte?
Die größte Herausforderung war der enorme Zeitaufwand, der in einer solchen Erarbeitung steckt. Eine Umstellung ist auch nicht immer einfach, schwieriger gestaltete sich zum Beispiel die Beschaffung für Materialien wie spezielle Kleber oder Farben, die den Richtlinien entsprechen und von lokalen oder regionalen Anbietern stammen.

Welche konkreten Ergebnisse und Einsparungen sind für Sie besonders erwähnenswert?
Die Umstellung der kompletten Bühnenbeleuchtung sowie die Beleuchtung im Zuschauerraum und im Vorderhaus auf LED sind für mich Highlights. Damit konnten wir die Energieverbräuche beachtlich verringern - der Verbrauch eines alten Bühnenscheinwerfers lag bei 3000 Watt, während die neuen Scheinwerfer nur 200 Watt verbrauchen. Hier sehen wir enorme Energieeinsparungen.

Erwähnenswert ist außerdem die Umstellung der Getränkeautomaten auf Glasflaschen, sodass wir eine Einsparung von 20.000 Plastikflaschen pro Jahr erzielen. Weiters werden Bühnenbildelemente wiederverwendet und/oder -verwertet. Auch Kostüme und Requisiten werden, wo möglich, aus dem eigenen Fundus entnommen beziehungsweise weiterverarbeitet. Wir konnten durch die Modernisierung der Maschinen in den Werkstätten zusätzlich Arbeitszeit und Energie einsparen sowie eine Arbeitszeiterleichterung erreichen und die Arbeitssicherheit erhöhen. Beim Umstieg auf ökologische und nachhaltige Alternativen hatten wir keine Mehrkosten.

Und welche Bereiche  und Anforderungen unterscheiden sich von Umweltkriterien in anderen Branchen?
Neben ganz allgemeinen Aspekten in den Bereichen Energie und Klimaschutz, Abfall und Kreislaufwirtschaft, Büro oder Reinigung, die auch andere Branchen erfüllen müssen, gibt es konkrete, theaterspezifische Kriterien, die bei der Zertifizierung unter die Lupe genommen werden. Diese betreffen beispielsweise die Herstellung von Bühnenbildern, den Umgang mit bestimmten Stoffen und Materialien oder die Arbeit in den Bereichen Kostüm und Maske. Die Schlüsselwörter sind Wiederverwendung, Ressourcenschonung und Umstieg auf ökologische und nachhaltige Alternativen.

Was bringt, ihrer Erfahrung nach, die Zertifizierung mit dem Österreichischen Umweltzeichen, wie würden Sie andere Kulturbetriebe dafür motivieren?
An den erarbeiteten Richtlinien können sich weitere Kulturbetriebe orientieren und im Sinne der Nachhaltigkeit handeln. Das Thema Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren global eine neue Dringlichkeit erfahren. Unter den Mitarbeitern des Landestheaters gab es schon seit längerem Impulse, wie man im künstlerischen Betrieb und Arbeitsalltag umweltbewusster agieren könnte. Wir modernisieren den Betrieb, erstellen Kosten- und Nutzenrechnungen, sparen Energie und Zeit ein, die Arbeitszeiten werden neu gedacht.

Dietmar Pucher ist seit 2020 Liegenschaftsleiter am Salzburger Landestheater und hatte die Projektleitung hinsichtlich des Österreichischen Umweltzeichens inne. Zuvor war er zehn Jahre lang als Region Engineer & Technician für den süddeutschen Raum in der GCH Hotel Group zuständig, u.a. für Renovierungen, Umbauten, Brandschutz, Investitionen sowie Wartung und Instandhaltung.

Das Salzburger Landestheater ist eine der führenden und prägenden Institutionen für darstellende Künste in Stadt und Land Salzburg. Das Vier-Sparten-Haus (Oper, Schauspiel, Ballett, Jugend-Theater) liegt im Herzen der Stadt und spielt pro Saison (September bis Juni) etwa 25 Neuproduktionen und 400 Aufführungen. Rund 280 Personen sind ständig beim Salzburger Landestheater beschäftigt, dazu kommen zahlreiche Gastkünstler. Das Salzburger Landestheater wird je zur Hälfte vom Land und der Stadt Salzburg subventioniert.

Das Österreichische Umweltzeichen
Mit dem Österreichischen Umweltzeichen für Tourismus-, Gastronomie-, und Kulturbetriebe wurde 1996 ein Gütesiegel geschaffen, das umweltbewusstes Management und soziales Handeln eines Unternehmens nach außen demonstriert. Ursprünglich nur auf den Tourismus fokussiert, wurde die Richtlinie in den vergangenen Jahren auf Gastronomie und Kultur ausgeweitet, seit 2022 auch auf Theater und Kinos.